„Das riecht wie…“ – Scent Branding als neuer Ansatz im multisensorischen Marketing.

Ein Interview mit Harald H.Vogt, Gründer und Geschäftsführer des Scent Marketing Institutes in New York, geführt von Karsten Klepper, Managing Partner bei RED Branding am 12.Januar 2010.

Karsten Klepper: Herr Vogt, wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Organisation zu gründen, die sich ausschließlich mit dem Duft in Marketing und Branding beschäftigt?

Harald Vogt: Die Wirkung von Duft auf das menschliche Sinneszentrum ist seit Jahrtausenden bekannt. Seit Jahrzehnten versuchen Hersteller von Duftausbringungssystemen eher weniger erfolgreich einen Markt für ihre Produkte zu finden. Aber erst als Martin Lindstrom mit seinem Buch „BRANDSense“ herauskam nahm das „Marketingestablishment“ Kenntnis. Jetzt wollen es alle haben, aber keiner weiß wie’s geht. Da kommen wir als unabhängige Implementierungsexperten zum Zuge. Unser Job ist es, die verschiedenen Komponenten zusammenzuführen, die Kommunikation zwischen den diversen Kompetenzzentren (Forschende Akademiker, Psychologen, Dufthersteller, „Hardware“ Ingenieure, Konsumenten-Befragung) zu etablieren und aufrechtzuerhalten und dem Marketing- und Markenverantwortlichen ein mundgerechtes (oder sollte man sagen „nasengerechtes“) Paket zu schnüren, das er relativ schnell umsetzen kann. Unser Job ist Kommunikation und Information über alles, was Duftmarketing beinhaltet. Bisher was das nur aus vereinzelten, unvernetzten Quellen zu bekommen. Das haben wir geändert.

Karsten Klepper: Aber ein Duft allein verkauft doch kein Produkt…

Harald Vogt: Nein, außer in der Parfümerie. Und der Endverbraucher ist auch nicht unsere Zielgruppe. Wir arbeiten ausschließlich „Business-to-Business“ und leisten so unseren Beitrag zu den multisensorischen Marketingbemühungen großer Unternehmen und bekannter Marken. Es ist absolut notwendig, dass sich die verschiedenen „Sinne“ im Marketingmix miteinander abstimmen – was im Übrigen die Kernbotschaft der Notasensorik ist.

Karsten Klepper: Können Sie uns ein paar Beispiele nennen, wo Duft ideal einzusetzen ist?

Harald Vogt: Sicher. Aber zuerst sollten wir festhalten, dass Duft – durch unsere Nase – im limbischen System unseres Gehirns landet. Und dieses limbische System ist verantwortlich für unsere Emotion und beeinflusst unser Handeln und unsere Entscheidungen. Das sollte eigentlich jedem Marketingexperten mehr als recht sein. Aber zum Einsatz: Ein wahrgenommener Duft versetzt uns an einen anderen Ort, in einer anderen Zeit. Wir kennen das alle aus eigener Erfahrung. „Das riecht wie Urlaub“, „das erinnert mich an meine Kindheit“. Unser Duftgedächtnis reicht über Jahrzehnte und vergisst nie. Ein angenehmer Duft verlängert die Verweildauer – nachgewiesen in Casinos und im Handel. Sind alle meine übrigen Marketingaktivitäten optimiert (ist genug Produkt im Regal, ist das Produkt klar zu erkennen und gut zu erreichen, ist Personal zur Hand um Kunden anzusprechen und zu beraten), dann kann ich diese verlängerte Verweildauer in Umsatz konvertieren. Ein Duft beeinflusst unsere Wertschätzung von Produkten. Experimente haben nachgewiesen, dass Verbraucher in einem bedufteten Umfeld 15% mehr für ein Produkt bezahlen würden. Ein Duft erhöht die Widererkennbarkeit einer Marke und sollte zum CI gehören genauso wie ein Jingle, ein Logo, eine Farbe. Duft tätowiert eine Marke ins Gehirn. Das hört sich martialisch an, ist aber in anderen Bereichen durchaus akzeptiert. Von Erdgas erwarten wir seinen (künstlich zugesetzten) typischen Geruch. Er ist ein Warnsignal. Besonders im Luxusgüterbereich erwartet der Konsument „Unterhaltung“ wenn er den Laden betritt. Und da gehört Duft einfach dazu – genauso wie eine geschmackvolle, markenorientierte Ladengestaltung und Beschallung.

Karsten Klepper: Hören Sie nicht Kritik an einer „unterschwelligen Beeinflussung des Konsumenten“ durch Duft?

Harald Vogt: Ab und zu, ja. Wir nutzen nun einmal einen Sinn, den man so leicht nicht abschalten kann. Zumindest nicht über längere Zeit. Aber das Verkaufstraining des Personals z. B. beinhaltet auch gewisse psychologische Schulung und hängt denen dennoch nicht als Schild um den Hals. Mit Duft ermöglichen wir dem Kunden eine Vorabwahrnehmung der Produkteigenschaften. Am Point of Sale kann das der Duft eines aus Hygienegründen hermetisch versiegelten Produkts sein (ein Shampoo, eine Körperlotion), der in die Außenverpackung oder in ein beduftetes Display integriert werden kann. Eine beduftete Anzeige oder das beduftete Mailing eines Hotels transportiert eine Erwartung, die beim Betreten der Hotellobby erfüllt wird.

Karsten Klepper: Beschreiben Sie uns doch einmal den „perfekten Markenduft“.

Harald Vogt: Leider gibt es den nicht. Verschiedene Kulturen haben verschiedene Duftpräferenzen. Als besonders groß wurde übrigens der Unterschied im Geschmack der Deutschen von dem der Japaner beschrieben. Das macht die Kommunikation einer globalen Marke via Duft nicht eben einfach. Man kann entweder mit einem „kleinsten gemeinsamen Nenner“ arbeiten – wie Samsung es macht – und endet im floralen, „slightly fruity“ Spektrum oder eine globale Basis- und Mittelnote mit einer lokalen Kopfnote ergänzen, wie z. B. Swissotel, die in Berlin mit dem Duft von Lindenblüten arbeiten. Leichter ist es natürlich, für duftrelevante Produkte wie Kaffee und Bäckereiprodukte zu werben, wo der Duft ein dominanter Bestandteil der Produkterfahrung im Vorfeld der gustatorischen Wahrnehmung ist. Da kann man eine „Duftspur“ legen, die den Kunden olfaktorisch zum Produkt führt. Wie mit anderen Maßnahmen (visuelle Stimulation, Beschallung) sollte man auch mit Duft vorsichtig und maßvoll umgehen. Eine „Überbeduftung“ hat negative Konsequenzen, ebenso wie irritierende Bildsprache und unangemessen laute Musik. Es sei denn, man befindet sich in einem Umfeld, in dem dieses erwartet wird (z.B. in einem Nachtclub oder im Kino). In der Regel ist eine Duftausbringung knapp oberhalb der Wahrnehmungsschwelle angebracht. Und der Duft sollte „kongruent“ sein: Kokosnussduft im Winter verkauft keine Weihnachtsgeschenke im Einzelhandel, aber er verkauft den Sommerurlaub im Reisebüro.

Karsten Klepper: Das macht ja alles recht viel Sinn. Wo sehen Sie denn die größten Widerstände? Warum hat zum Beispiel IKEA keinen Markenduft?

Harald Vogt: Oder Virgin, oder adidas, oder IBM… gute Frage! Es liegt an der mangelnden Risikobereitschaft der Unternehmen und der Ignoranz (sorry!) der Agenturen. In unserer globalen Marktbeobachtung sehen wir ein „Leaders and Followers“ Phänomen. „Erst wenn die Konkurrenz zum Duft greift, mach ich’s auch“ heißt das Prinzip. Singapore Airlines macht’s, dann klopft auch Delta an. Westin macht’s, dann kommt auch Hyatt. SONYstyle macht’s, dann kommt auch Samsung. Und alle fragen nach dem Return on Investment, den keiner der Duftmarketing-Betreiber nennen will, darf oder kann. Jeder sucht nach dem garantierten Allheilmittel. Am Geld kann’s nicht liegen. Budgets werden ja oft nicht gekürzt, sondern lediglich umgeschichtet. Oft kommen die Markenverantwortlichen von der mittleren Ebene zu uns und wollen die Rechtfertigung, bevor sie zu Ihrem Chef gehen. Ebenso oft kommen die Topmanager zu uns und wundern sich, warum die Agentur keine Auskunft zum Thema geben kann. 8 Stunden vor Heiligabend erhielten wir eine Anfrage von einer Agentur aus Südafrika, „fürchterlich dringend, Sie müssen uns umgehend zurückrufen (!)“. Man hatte in den nächsten Tagen eine Präsentation und der Kunde hatte das Thema Duftmarketing nachgefragt. Man hat uns dann um einen „Einseiter zum Thema“ gebeten. Wenn’s nur mal so einfach wäre… Das ist leider eine universelle Erscheinung und da ist noch recht viel Überzeugungsarbeit zu leisten. „Wenn noch eine Pappe fehlt in meiner Präsentation“, dann lässt der CD den Praktikanten recherchieren und der hat hoffentlich den Namen Lindstrom schon mal gehört. Und der googelt dann „Scent Marketing“ – und endet dann bei uns…

Karsten Klepper: Wer macht Duftmarketing richtig – und wer nicht?

Harald Vogt: Die katholische Kirche zählt ein Sechstel der Weltbevölkerung zu seiner „Kundschaft“ und betreibt multisensorisches Marketing aus dem FF. Geht man im Geiste die einzelnen Sinne durch, beantwortet sich die Frage von selbst. Und – der Papst trägt Prada. Singapore Airlines verwendet seinen „Floridian Waters“ Duft seit Jahren sehr erfolgreich – und sehr subtil. Vom Passagierraum, über die bedufteten heißen Tücher bis zum Parfum der Flugbegleiter. Abercrombie & Fitch hingegen hat zwar einen recht erkennbaren eigenen Duft, verbreitet den allerdings in einer Menge, die von den meisten Konsumenten außerhalb der Kernzielgruppe sowie von A&F’s Nachbarn in der Shopping Mall eher als überwältigend im negativen Sinne angesehen wird.

Karsten Klepper: Gibt es olfaktorische Entwicklungsländer oder ist das Akzeptanzniveau weltweit gleich?

Harald Vogt: Wir sehen Trends die stark vom wirtschaftlichen Klima abhängen. Wenn das Geld knapp wird, dann werden als im Erfolg zweifelhaft angesehene Initiativen gestrichen oder erst gar nicht angegangen. Aber das geht wohl allen gleich. China ist ein enormer Wachstumsmarkt, Nordamerika ist etablierter aber unter hohem Kostendruck, gleiches gilt für Europa. Aus Südamerika kommen positive Signale aus der Luxusgüterbranche. In Ländern, wo der Handel eine starke Position hat (wie in USA), hat selbst eine große Marke Probleme, Duftmarketing einzusetzen wenn der Handel es nicht will (in Wallmart, Target). Dort, wo die Marke keiner Kontrolle unterliegt, ist es einfacher (Thomas Pink, SONYstyle). Aber das Interesse wächst. Auf unserer letzten SCENTworld Konferenz hatten wir Teilnehmer aus 21 verschiedenen Ländern.

Karsten Klepper: Herr Vogt, Ihre Organisation ist weltweit die Einzige, die unabhängig die Umsetzung von Duftmarketing analysiert. Wie sehen Sie die Zukunft?

Harald Vogt: Keiner würde sich mehr über ein schnelleres Wachstum unserer Branche freuen als wir. Wir verkaufen allerdings keine Produkte, sondern eine Dienstleistung. Wir geben Empfehlungen ab auf der Basis unserer Kenntnis des Marktes und seiner Anbieter, letztendlich entscheidet der Kunde selbst, von wem er kauft. Wir können es uns leisten, einem Beratungskunden von Duftmarketing abzuraten wenn seine Erwartungen nicht realistisch sind. Aus demselben Grund sind wir gefragte Ansprechpartner für die Medien. Diese neutrale Position wollen wir um jeden Preis beibehalten. Wir sehen es ferner als absolut notwendig, dass die Repräsentanten aller Sinne miteinander sprechen. Erfolg können wir nur gemeinsam haben, daher haben wir uns im Circle of Sensory Excellence engagiert.
Wir werden weiterhin an einem besseren Kontakt zu den Agenturen arbeiten. Wir entwickeln zur Zeit ein speziell auf diese Zielgruppe ausgerichtetes Informationsprogramm und werden eine Duftmarketing-Zertifizierung anbieten. Wir arbeiten verstärkt mit Universitäten um deren akademisches Potential in unserem Sinne auszuschöpfen. Mit der University of Nevada beginnt später im Jahr ein Pilotprojekt, das Duft im Experientiellen Marketing integrieren wird.